Reiner Girsch ist ein Street Fotograf und Mechaniker bei Ford. Ausserdem ist er bekannt als Mitgründer von „Soul of Street“ – ein deutsches Street Photography Magazin und Gründungsmitglied des Kollektives Off Perspective, ein deutsches Street Kollektiv.
Reiner, vielen Dank, dass Du dir Zeit genommen hast, dieses Gespräch mit mir zu führen. Ich freue mich, dass Du da bist.
Hallo Bastian, ich freue mich ebenfalls, mit Dir das Gespräch zuführen.
Seit 2011 fotografiere ich auf der Straße und es kam relativ schnell der Gedanke und auch der Wunsch, der Straße etwas zurückzugeben.
Du hast zusammen mit Marc Barkowski im Jahr 2015 das Strassenmagazin gegründet, welches man heute als „Soul of Street“ kennt. Wie ist diese Idee entstanden?
Seit 2011 fotografiere ich auf der Straße und es kam relativ schnell der Gedanke und auch der Wunsch, der Straße etwas zurückzugeben. Die Frage war nur was und wie. Damals gab es podcasts, YouTube Videos, Forum usw., so dass ich mich fragte, was man den neues machen kann für die Straße. Ich hatte Lust irgendwas über die street photography zuschreiben und somit den Leuten die street photography etwas näherzubringen. In Deutschland ist man ja von den Gesetzen her immer in einer Grauzone.
Und so entstand die Idee, die ich eines Abends bei einem Walk mit Marc besprach. Er war sofort Feuer und Flamme und bereits am nächsten Tag arbeiteten wir an dem Magazin, welches damals noch STREET hieß.

Was würdest Du anders angehen, wenn du zurück in die Zeit könntest?
Das ist eine gute Frage, über die ich noch nie wirklich nachgedacht habe, da man ja nicht zurückgehen kann.
Ich denke aber, ich würde nur Kleinigkeiten ändern.
Wenn man so viel mit Strassenfotografen und ihrer Arbeit zu tun hat, gibt es da Zeiten wo man keine weiteren Fotos mehr sehen kann?
Ja, definitiv. Es hat bei mir aber z.B. sehr lange gedauert, da ich die street photography schon mit Herzblut betreibe. Aber mittlerweile ist es so, dass ich nachdem eine Ausgabe in den Druck geht, mir gerne eine Woche Zeit nehme und dann Facebook und Instagram auf ein Minimum beschränke. Einfach um etwas Abstand zubekommen und dann frisch neu starten kann für die kommende Ausgabe.

Schon in meiner Kindheit habe ich gerne gelesen und wollte eine ganze zeitlang Journalist werden.
Bist Du auch sonst interessiert am Verlegen und an der redaktionellen Arbeit? Oder ist das eher ein Mittel zum Zweck, weil Du an dem Genre der Fotografie interessiert bist?
Es ist für mich nicht nur Mittel zum Zweck. Schon in meiner Kindheit habe ich gerne gelesen und wollte eine ganz Zeitlang Journalist werden. Aber der Berufswunsch hat sich dann irgendwann geändert.
Hast Du jemals in der Schweiz auf der Strasse fotografiert? Und wenn ja, was kannst Du darüber erzählen? Hast Du da Unterschiede bemerkt zu den Strassen Deutschlands?
Es ist leider schon einge Jahre her, aber ja ich habe in der Schweiz schon fotografiert. Ich bin damals auf Einladung von Thomas Leuthard in die Schweiz geflogen und habe mit ihm dort 3 Tage fotografiert. Wir waren in Zürich, Luzern und Zug.
Unterschiede habe ich damals einige bemerkt. Nicht nur das mir die Schweiz z.B. viel sauberer vorgekommen ist wie die Bundesrepubik, nein auch die Menschen waren anders. Viel entspannter und freundlicher. Während man in Deutschland oft böse Blicke erntet, wenn man mit erhobener Kamera durch die Straßen läuft, haben sich die Menschen in der Schweiz daran nicht gestört. Wenn sie es bemerkt haben, dann haben sie meist nix gesagt sondern auch noch gelächelt. Eine für mich damals sehr schöne Erfahrung die mit Sicherheit dazu beigetragen hat das Projekt Soul of Street voranzutreiben.

Einen wirklichen Trend zum digitalen Medium stelle ich nicht fest, eher anders herum. Es werden immer mehr Leser die das Magazin lieber als Druck haben möchten.
Manch einer würde wahrscheinlich sagen, es wäre Wahnsinn im Jahr 2015 mit einem neuen seriellen Printmedium anzufangen. Wie siehst Du das?
Ich denke, dass man das unterscheiden muss. Wenn man jetzt ein Magazin herausbringen möchte, welches z.B. sich mit aktuellen Themen der Welt oder mit Computerspielen beschäftigt, dann würde ich es vermutlich auch nur online machen.
Aber sich Fotos online anzusehen finde ich total unsexy. Für mich ist es eher ein notwendiges Übel in der heutigen Zeit, und mit der Flut an Fotos. Aber wenn man ein Bild als Druck in den Händen hält, dann ist es eine völlig andere Hausnummer. Ein ganz anderes Gefühl und ein Bild bekommt die Aufmerksamkeit die es in meinen Augen auch verdient hat.
Ich bin Deiner Meinung. Seit ich meine eigenen Fotos das erste Mal in gedruckter Version in den Händen hielt oder auch gerahmt an einer Wand, kann ich sie ganz anders anschauen habe eine ganz andere Basis dafür.
Ihr bietet ja auch Download Versionen des Magazins an? Spürst Du da einen Trend in eine der beiden Richtungen?
Ja, Soul of Street gibt es auch als E-Paper. Das hat aber den Grund, dass wir für den Print einen relativ hohen Preis nehmen müssen, da wir Wert auf Qualität legen. Und Qualität kostet nunmal.
Viele Leser schrieben uns aber eben auch das sie das Magazin gerne als E-Paper lesen möchten und somit sind wir schon sehr früh Zweigleisig gefahren.
Einen wirklichen Trend zum digitalen Medium stelle ich nicht fest, eher anders herum. Es werden immer mehr Leser, die das Magazin lieber als Druck haben möchten.


Du bist Gründungsmitglied von Off Perspective, einem deutschen Street Kollektiv. Wie ist das entstanden?
Off P wie wir es auch nennen, wurde aus einer Idee von Daniel Schilling gegründet.
Er hatte damals die Idee ein Kollektiv zu gründen mit Jens von Ewald und mir. Wir hatten uns eh immer wieder getroffen und Touren gemacht und haben somit dem ganzen einen passenden Rahmen gegeben.
Mittlerweile sind dem Kollektiv, mit Sabine Mondorf und Stefan Lauterbach, noch zwei hervorragende Fotografen beigetreten. Hier ist es ganz wichtig für uns, dass die Chemie stimmt und die Leute zu 100 Prozent zu uns passen und die street photography genauso sehen wie wir.
Meine Fotografie hat in den 10 Jahren, in der ich sie jetzt betreibe, mehrere Entwicklungen gemacht.
Wie würdest Du die Entwicklung deiner Strassenfotografie beschreiben, die in den letzten Jahren stattgefunden hat?
Meine Fotografie hat in den 10 Jahren in der ich sie jetzt betreibe mehrere Entwicklungen gemacht.
Anfangs habe ich meinen eigenen Stil entwickelt und mit der Gründung von Soul of Street hat sich dieser nochmals geändert, da ich viele Bilder mir dann angeschaut habe und mich sehr damit auseinander gesetzt habe. In den letzten Jahren hat meine Fotografie eher etwas gelitten, da ich früher fast täglich mit der Kamera unterwegs gewesen bin und dann in meiner Heimatstadt irgendwie keine Motive mehr gesehen habe.
Dies hat sich jetzt langsam wieder gelegt und ich sehe wieder Motive. Bin jedoch vorsichtig und versuche das ganze zu dosieren und nehme mir jetzt gezielt etwas Zeit zum Fotografieren und gehe nicht mehr täglich raus.


(…) als ich sie das erste Mal in der Hand hielt, war es Liebe auf den ersten Blick.
Als Mann vieler Tätigkeiten, wie reagierst Du auf Stress und Druck?
Gelassen. Stress und Druck hat man schon sehr viel im normalen Leben und ich habe früh angefangen dem entgegen zuwirken. Ich nehme mir einmal die Woche einen Tag, wo ich keine Termine habe und nur das mache wozu meine Familie und ich Lust habe. Das kann mal ein Tag auf der Couch sein oder ein langer ausgedehnter Spaziergang. Kann aber auch eine spontane Reise sein, welche aktuell wegen der Pandemie aber nicht möglich ist.
Die letzte Frage ist technisch. Welche Kamera benutzt Du, und warum?
Ich nutze eine Olympus OM-D EM 5 mit einem 17mm 1.8 Objektiv. Als Backup habe ich meist noch eine Olympus OM-D EM10 MK II mit einem 45mm 1.8 dabei.
Warum diese Kamera? Sie war damals das Non-plus Ultra und als ich sie das erste Mal in der Hand hielt, war es Liebe auf den ersten Blick. Sie fühlte sich in der Hand gut an und auch in der Handhabung war alles direkt verständlich und angenehm.
Man kann bei mir sagen, es kam zusammen was zusammen gehört.

Reiner, ich danke Dir für das Gespräch und wünsche Dir weiterhin viel Erfolg und Spass auf der Strasse, beim Magazin und natürlich auch im Kollektiv.
Ich bedanke mich bei Dir und haben einen großen Respekt vor der Arbeit, die Ihr leistet. Dies ist ein wichtiger Teil in der Street photography. Bleibt gesund und ich hoffe das wir uns mal in der nahen Zukunft kennenlernen und zusammen durch die Straßen ziehen.
Soul of Street: www.soulofstreet.de
Kollektiv: www.offperspectiv.de
Reiner auf Instagram: www.instagram.com/photos/reiner_girsch
Interview geschrieben & geführt: Bastian Peter
Comments 1
Thanks again @ Reiner for that talk. Very interesting.